Joël Basman
Interview
Text: Stefan Wagner, Fotos: Christoph Köstlint

Joël Basman

„Mich fasziniert an der Schauspielerei, dass du frei bist. Du bist nicht du selbst, obwohl du du selbst bist. Die tausend Widersprüche, die damit verbunden sind, die sind Freiheit.“ Noch nie war ein Schweizer Schauspieler so jung so erfolgreich wie Joel Basman. The Red Bulletin sprach mit ihm übers Schauspielen, über das Neinsagen, über Scham und über zweieinhalb Minuten mit Bill Murray.


Joël Basman, Sie spielen bevorzugt Rollen von Menschen, die nicht so zur Identifikation taugen, Nazis, Irre, Süchtige, Mordopfer. Kritiker heben besonders die Intensität Ihrer Darstellung hervor. Woher kommt die?


Die kommt wohl aus einem gewissen Wahn, mich auf das, was ich tue, einzulassen.


Unser Gespräch findet wenige Wochen vor Dreharbeiten statt, bei denen Sie Rudolf Höss spielen werden, den Kommandanten des KZ Auschwitz. Wie geht’s Ihnen damit aktuell?


Die intensive Zeit beginnt gerade. Die Zeit, in der ich immer tiefer in diesen Rudolf-Höss-Kosmos reingehe und nicht mehr rauskomme. Wenn ich mich zu Hause einbunkere, immer dieselben Biografien lese, dieselben Bilder gucke, dieselbe Musik höre. Immer mehr Höss werden, darum geht’s die nächsten Wochen.


Man darf als Schauspieler niemals eitel sein, haben Sie einmal gesagt. Ich glaube Ihnen das nicht. Und ich meine damit gar nicht, dass man gut oder nicht gut aussieht, Sie zum Beispiel müssen ja in vielen Ihrer Rollen schrecklich aussehen. Ich denke etwa an George Clooneys Hollywood-Film „Monuments Men“. Sie waren im Gespräch für die Hauptrolle, genommen wurden Sie dann für eine 2½-Minuten- Rolle. Gemeinsam mit Bill Murray, immerhin, aber: schon eine Degradierung, nicht?


Gar nicht. Eine Szene mit Bill Murray als Degradierung zu empfinden, das wäre eitel gewesen. Natürlich gibt es Kollegen, die machen nur Sachen, wenn sie die Nummer eins sind. Das ist mir fremd. Ob dein Beitrag groß oder klein ist: nicht wichtig. Dass das Ding am Ende gut wird: sehr wichtig.


Das Tattoo auf Ihrem Handrücken sind die hebräischen Schriftzeichen für „Nein“. Ist „Nein“ so wichtig, dass man sich täglich daran erinnern muss?


Nein zu sagen ist so viel schwieriger, als ja zu sagen. Aber es ist die Mühe wert. Nur ein Nein lässt dich wachsen. Probieren Sie’s mal: Die Wirkung eines Nein-Moments ist umso viel stärker als die eines Ja-Moments. Da sind wir wieder bei diesen 100 Prozent Anerkennung von vorhin. Wir glauben, alle müssen dich immer toll finden. Niemand darf dich scheiße finden, mach dir nur ja keine Feinde, sei immer happy und cool mit allen. Aber das stimmt nicht! Akzeptiere, dass es viel mehr bringt, wenn da Zustimmung ist und Ablehnung, beides!



Das Böse fasziniert Sie, wie Sie immer wieder sagen, Ihre Traumrolle wäre ein Bond-Bösewicht. Wenn Sie sich auf das grundsätzlich Böse einer Rolle einlassen, fürchten Sie sich dann auch vor sich selbst? Wie sehr steckt in Ihnen ein Mörder?


Jeder Mensch ist fähig, all das zu machen, was auf dieser Welt möglich ist. Wäre ich, Joel Basman, bereit, einer Frau nach Hause zu folgen, sie zu vergewaltigen und zu erwürgen, wie meine Figur in dem Borowsk „Tatort“? Unvorstellbar. Aber was, hätte ich mit zwölf irgendwas Schlimmes erlebt? Was wäre dann? Was hätte sich in meinem Gehirn verändert? Es ist hochnäsig, sich moralisch sicher zu sein.


Es genügt also nicht, sich aus der Komfortzone rauszubewegen. Man muss auch die Kontrolle über die Situation aufgeben?


Ja, darum geht’s.


Das kann doch nicht immer gehen. Nehmen wir Ihre Mord- und Vergewaltigungsszene im Borowski-„Tatort“. Da haben Sie die Kontrolle verloren?


Innerhalb klarer Grenzen ja. Erst mal musst du ganz technisch den Ablauf klären: wo du die Hand hintust und wo nicht, wie du sie würgst und so weiter. Das Beleidigen, der Versuch, sie auszuziehen, in sie einzudringen und sie weiter zu würgen, bis sie tot ist, und ihr dann ins Gesicht zu spucken. Das sind Abläufe, die du jedes Mal strikt einhältst, bei jedem Take, da geht es um respektvollen Umgang mit der Kollegin. Aber innerhalb dieser Grenzen musst du ausflippen. Und wenn sie dann tot ist, geht es los. Du beschimpfst sie, spuckst sie an. Nach der Szene stehst du auf der Seite im Dunkeln und denkst: „Fuck, Alter. Was ist da gerade passiert? Was habe ich gerade gemacht? Es hat sich gerade richtig angefühlt, einer toten Frau ins Gesicht zu spucken.“ Nicht cool. Ein Horror. Aber der Film dann, der Film war gut.

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Joël Basman

Geboren am 23. Januar 1990 in Zürich. Der Vater stammt aus Tel Aviv, die Mutter ist Schweizerin, Basman besitzt die israelisch-schweizerische Doppelstaatsbürgerschaft. Erste TV-Rolle als Vierzehnjähriger in „Lüthi und Blanc“, seither Dutzende Rollen in verschiedenen TV- und Kinoproduktionen von „Tatort“ und „Homeland“ bis zu „Wir sind jung. Wir sind stark.“ (Deutscher Filmpreis 2015), „Ziellos“ (Schweizer Fernsehfilmpreis 2015) oder George Clooneys „Monuments Men“. Basmans Familie ist im Modedesign-Business bekannt, er selbst hat bereits mehrere Kollektionen entworfen.